Young + Restless: Verspielen die Alten unsere Zukunft?

Alte Säcke Politik – Was muss sich ändern?
Veröffentlicht am 17.06.2016

Foto: Henrik Andree

young + restless, nicht nur Titel sondern auch Motto des monatlichen Netzwerktreffens von Policy Lab und Wahlkreis. Am 16. Juni waren die Jungen wieder rastlos: Wie die Alten mit ihrer Zukunft auf politischem Parkett umgehen, welches Potential ungenutzt bleibt und was passieren muss, damit politisches Engagement wieder Spaß macht, wurde im vollen Telefónica BASECAMP auf der Bühne und an den Thementischen diskutiert.

Politik steckt in der Alterskrise

Parteien stecken in einer Krise, machte Fabian Voß direkt zum Auftakt deutlich. Er stellte das Projekt „Legitimation und Selbstwirksamkeit: Zukunftsimpulse für die Parteiendemokratie“ vor und erläuterte bei young + restless das Altersproblem von Parteien: Mit 55 Jahren ist das durchschnittliche Parteimitglied fernab von der Jugend. Heißt aber nicht, dass die junge Generation sich nicht politisch einbringe.

Fabian Voß, Visiting Fellow beim Progressiven Zentrum im Projekt Legitimation und Selbstwirksamkeit
Fabian Voß, Visiting Fellow beim Progressiven Zentrum im Projekt Legitimation und Selbstwirksamkeit

Politisches Engagement zeigt die junge Generation meist in NGOs, denn die sind spezialisiert und sexy, so Fabian Voß. Sie geben mehr Raum sich zu entwickeln und sich selbst zu verwirklichen. Und genau deshalb könnten sich Parteien deswegen so einiges von Nichtregierungsorganisationen abgucken, um Motivation und Engagement der Jugend zurückzugewinnen. Das finge schon beim Thema Mobilität an, verdeutlichte Fabian Voß: Physische Präsenz ist in NGOs meist nicht nötig; das Engagement in Landesverbänden erfordert sie hingegen meist. Aber: Die junge Generation ist aber mobiler denn je und das Studium oder der Berufseinstieg bringen oftmals einen Wohnortswechsel mit sich. Da es an digitaler Infrastruktur in Landesverbänden mangelt, kann das Engagement ortsunabhängig nicht weitergeführt werden. Verschenktes Potential – umso mehr, wenn die Digitalisierung doch ganz oben auf der Agenda der Parteien steht.

Alte Säcke Politik – geht die Politik zu Lasten der jungen Generation?

Wieso herrscht eine Veränderungsresistenz, die Voß aufzeigte? Antworten versuchte Autor Wolfgang Gründinger zu finden. In „Alte Säcke Politik“ schreibt er von einem Krieg der Generationen zwischen der heutigen Jugend und den Babyboomern, den 1955 bis 1969 geborenen, die die aktuelle Politik, Wirtschaft und Kultur bestimmen. Er schreibt, Junge könnten es nur nach oben schaffen, wenn die Alten es ihnen gönnen. Und dies habe, so der Zukunftslobbyist, weitreichende Konsequenzen, in naher Zukunft und auf nachfolgende Generationen: „Wir spüren die Probleme nur noch nicht, die sich zwar unter der Oberfläche, dafür aber umso massiver zusammenballen“, schreibt er.

Wolfgang Gründinger, Zukunftslobbyist und Leiter des Forums Digitale Transformation beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und Vorstand des SPD-Forums Netzpolitik
Wolfgang Gründinger, Leiter des Forums Digitale Transformation beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und Vorstand des SPD-Forums Netzpolitik

Bei young + restless brachte er den Impuls, die Alterbeschränkung für Wahlen aufzulösen, um die Jugend in politische Entscheidungen einzubeziehen. „Wenn es nach oben keine Grenze gibt, wieso dann nach unten?“, stellte er zur Diskussion: „Egal ob 12 oder 120, alle sollten sich politisch einbringen können und wählen dürfen“. Er fordert, dass Parteien sich selbst radikal in Frage stellen, um Politik nicht zu Lasten der jüngeren Generation zu machen. Gerne würde er – selbst SPD-Mitglied – „eine ganze Horde junge Menschen ins Willy-Brandt-Haus setzen, für ein Wochenende und dann schauen, was sie besser machen würden“.

Zukunftsfähigkeit der Politik

Einblicke, wie die aktuelle Politik von Jüngeren eingeschätzt wird, lieferte auch die young + restless Zahl des Monats, die YouGov zum Thema erhob: 34% der befragten 18- bis 24-Jährigen gab an, von der derzeitigen Politik in Deutschland würden nicht sie selbst, sondern eher ältere Menschen profitieren.

Maria Kosboth von YouGov gab außerdem Einblicke in Hauptnachrichtenquellen: Ganz weit vorn ist das Fernsehen in allen Altersgruppen. Aber vor allem die Jüngeren beziehen Nachrichten ebenso online.

Sand im Getriebe der Bundespressekonferenz

Einer, der online über Politik berichtet, ist Tilo Jung. Er gab bei young + restless Einblicke in seine Arbeit für Jung & Naiv – Politik für Desinteressierte und seine Berichterstattung aus und über die  Bundespressekonferenz: Einer wachsenden Followerzahl zeigt er, was hinter den Türen der BPK passiert und ist inzwischen bekannt dafür, Regierungssprecher Steffen Seibert und den Sprechern der Ministerien auf den Zahn zu fühlen.

Tilo Jung, Chefredakteur von "Jung & Naiv"
Tilo Jung, Chefredakteur von „Jung & Naiv“

„Ich stelle Fragen, die völlig einleuchtend sind. Die mögen aus Sicht von Seibert aber unangenehm sein“, so Tilo Jung bei young + restless. Nachdem der Journalist ein Jahr lang als stiller Zuschauer die Bundespressekonferenz besuchte, die Art und Weise der Fragestellungen und Sprache der Kollegen vor Ort kennenlernte, begann er die BPK zu Filmen, mit seinem Team Clips zu erstellen und schließlich online zu stellen – und das bis dahin als einziges Medium kostenlos.

Seit dem Start von Jung & Naiv 2013 führte Tilo Jung außerdem 260 politische Interviews, in denen er „einen schlecht vorbereiteten Reporter spielt“, wie er seine Rolle mit der er Politikern begegnet beschreibt, um Antworten auf relevante Fragen zu erhalten. Damit macht er Politik für (vermeintlich) Desinteressierte verständlich und schafft eine Quelle für jene, die Hinter die Kulissen politischer Entscheidungen und Statements schauen wollen.

Mehr Bilder gibt es hier und die nächste Ausgabe von young + restless bereits am 14. Juli im Telefónica BASECAMP!

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