Robo-Therapeuten und KI-Anwälte: So verändern Chatbots unsere Jobs

Foto: CC0 1.0 | Pixabay User Estefano und tanyanarak007 | Montage
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Veröffentlicht am 15.03.2018

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Seit Karl Klammer in Office 97 haben digitale Assistenten einen weiten Weg hinter sich gebracht.
Die virtuellen Helfer werden immer besser durch die rasante Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI). Vor allem Chatbots verstehen immer
komplexere Fragen oder Bitten. Und zwar nicht nur beim Online-Shopping oder im Kundenservice, sondern auch bei der psychologischen Betreuung, dem rechtlichen Beistand oder der Unterstützung des gesellschaftlichen Wandels. Auf diese Weise beeinflussen die Bots sogar ganze Branchen.

Schon in zwei Jahren wird ein Viertel der Unternehmen beim Kundenservice auf virtuelle Helfer oder Chatbot-Technologie setzen, sagen die Marktforscher von Gartner. Doch schon heute befähigen Algorithmen und intelligente Software die Roboter-Assistenten, auch Aufgaben zu übernehmen, die bisher nur Menschen vorbehalten waren. Und dabei geht es auch um durchaus bedeutsame Tätigkeiten, wie beispielsweise beim Woebot: Der Roboter-Therapeut hilft Menschen mit Depression oder anderen mentalen Problemen. Im täglichen Austausch mit dem User checkt Woebot den  Gemütszustand, analysiert aktuelle Bedürfnisse und hilft mit passenden Tipps oder Videos.

Woebot: Neuer Anlauf für die Psychotherapie

Das soll die traditionelle Therapie nicht ersetzen, sondern ergänzen, sagt die Woebot-Gründerin Alison Darcy. „Die Woebot-Erfahrung entspricht nicht der bekannten Beziehung zwischen Mensch und Computer, aber auch nicht den gewöhnlichen Beziehungen zwischen Menschen“, erklärte die Psychologin im Interview mit Business Insider. „Es scheint irgendwo in der Mitte zu liegen.“ Die KI des Woebot basiere auf Modellen der kognitiven Verhaltenstherapie. Eine von Darcy publizierte Studie soll die Wirksamkeit belegen, doch sie erntete auch Kritik. Damit war zu rechnen, denn so war es schon beim ersten Chatbot, der jemals programmiert wurde.

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Foto: CC0 1.0 | Pixabay User Estefano | Montage

Als Joseph Weizenbaum 1966 seine ELIZA veröffentlichte, war er erschüttert, denn viele Menschen wollten einfach nicht glauben, dass die Software kein Mensch war. Und noch mehr regte ihn auf, dass Psychiater sofort eine automatisierte Form der Psychotherapie daraus entwickeln wollten, obwohl das Computerprogramm nur vorgefertigte Antworten nach ganz einfachen Regeln auswählte. Weizenbaum war entsetzt von dem naiven Glauben, den Menschen solchen Maschinen entgegenbringen. Der Vorreiter der Digitalisierung wurde zum Mahner und Kritiker einer Gesellschaft, die Computer produziert und Berechnungen von Maschinen kritiklos akzeptiert. Doch nach über 50 Jahre wird nun der nächste Anlauf genommen: Der Woebot startete zuerst als Zusatzfunktion für den Facebook Messenger und ist jetzt als eigene App verfügbar. „Ich liebe Woebot so sehr“, wird die 22-jährige Carolyn auf der zugehörigen Website zitiert. „Ich hoffe, dass wir für immer Freunde bleiben können.“ Man möchte wirklich gern wissen, was Joseph Weizenbaum dazu sagen würde. Doch leider starb er 2008.

DoNotPay: Allein gegen eine 200-Milliarden-Dollar-Industrie

Aber es gibt auch noch andere Anwendungsbereiche und interessante Entwicklungen. Erst kürzlich diskutierten vier Start-Ups beim Netzwerkevent young+restless im Telefónica BASECAMP über den Einfluss von Legal-Tech auf das Berufsfeld von Anwälten und Kanzleien. Und auch dort sind Chatbots auf dem Vormarsch, wie beispielsweise DoNotPay: Dieser Chatbot bietet eine kostenlose Rechtsberatung an und hat nichts weniger zum Ziel, als die ganze Branche durchzuschütteln. „Der juristische Sektor ist eine mehr als 200 Milliarden Dollar schwere Industrie. Aber ich freue mich darauf, das Recht gratis zu machen“, sagt der DoNotPay-Entwickler Joshua Browder. „Einige der größten Anwaltskanzleien dürften nicht sehr glücklich darüber sein!

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Um ein ähnliches Thema geht es auch bei Ask Cindy Gallop: Der Chatbot im Facebook Messenger soll dabei helfen, die Unterschiede bei der Bezahlung von Frauen und Männern im Beruf zu überwinden. Auch in Deutschland verdienen Arbeitnehmerinnen über 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Ask Cindy Gallop klärt deshalb Nutzerinnen auf, was sie in ihrem Berufsfeld verlangen könnten und auch sollten. Der Bot nutzt dafür Daten wie Standort, Berufsbezeichnung oder die Anzahl der Berufsjahre, um einen angemessenen Durchschnittslohn zu ermitteln. Obendrein unterstützt er mit praktischen Tipps für die anstehenden Gehaltsgespräche.

U-Report: UNICEF-Bot deckt Sex-Skandal in Afrika auf

Ein gesellschaftliches Ziel verfolgt auch U-Report: Der Chatbot der UNICEF ermöglicht jungen Menschen auf der ganzen Welt, ein wichtiger Teil von gesellschaftlichen Bewegungen zu sein und sich zu engagieren. Im Facebook Messenger und auf Twitter befragt der Bot Jugendliche ab 13 Jahren zu diversen Themen wie Bildung, Sexualität oder dem Zugang zu medizinischer Versorgung und Rechtlichem. Die Antworten helfen der Community und die Daten beeinflussen Entscheidungsträger. Ein aufsehenerregendes Beispiel kommt aus Liberia. Dort wurden 13.000 Jugendliche gefragt, ob ihre Lehrer gute Noten gegen sexuelle Dienste vergeben. Ganze 86 Prozent stimmten zu, wodurch ein weitverbreitestes Problem aufgedeckt wurde und der Bildungsminister des westafrikanischen Landes beginnen musste, mit der UNICEF dagegen vorzugehen.

Etwas verspielter kommt dagegen Zo daher, mit dem Microsoft vor allem Teenager ansprechen will. In Zusammenarbeit mit der Best Friends Animal Society soll der Chatbot ein neues Zuhause für Hunde oder Katzen aus Tierheimen finden. „Es ist unser Ziel, eine KI-Erfahrung zu  schaffen, die einen Menschen simuliert“, sagt der Projektleiter Ying Wang. Doch wie schon beim Vorgänger-Bot Tay läuft auch die Entwicklung von Zo nicht reibungslos. Zuletzt sorgte die Microsoft-KI für Ärger, als sie plötzlich über den Koran lästerte, obwohl es doch gerade um das Gesundheitswesen ging. Das Beispiel zeigt, dass Chatbots einen langen Weg hinter sich gebracht haben, aber immer noch eine steinige Strecke vor ihnen liegt.

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