Das Ende der Firma?: So verändert digitale Technik unsere Arbeitsweise

Veröffentlicht am 11.07.2016

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Unser Berufsleben verändert sich dramatisch. Arbeit 4.0 bedeutet auch, dass selbst qualifizierte Jobs wegfallen, weil Roboter oder künstliche Intelligenz sie schneller und billiger erledigen. Schon im März rechnete Steven Hill bei den Digital Masterminds im Telefónica BASECAMP vor, dass drei bis vier Millionen Truck-Fahrer in den USA arbeitslos werden, falls ihre Lkw demnächst autonom fahren. Dadurch könne eine neue Klasse von „nutzlosen Menschen“ entstehen, wird bereits gewarnt. Doch das muss nicht sein: Bisher schaffte jede technische Revolution neue Jobs, die man früher nicht kannte. Aber die Arbeitsweisen werden sich ändern und feste Firmenstrukturen werden seltener.

Die Digitalisierung führt zu einem historischen Wandel in der Arbeitswelt“, sagte der CEO von Telefónica Deutschland, Thorsten Dirks, Ende Juni bei der Vorstellung einer Arbeitsmarktuntersuchung des Branchenverbandes Bitkom, den er als Präsident leitet. „Neue, aufregende und anspruchsvolle Jobs entstehen. Sie setzen eine gute Ausbildung voraus und bieten dafür viel Gestaltungsspielraum und Verantwortung.“ Durch Digitalisierung würden überwiegend einfache Aufgaben wegfallen, aber dafür entstünden Stellen mit komplexeren Anforderungen und mehr Verantwortung. Das heißt auch: Ohne Digitalkompetenz kommt man im Berufsleben künftig nicht mehr aus.

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Graphendatenbanken, offene Deep Learning Frameworks, Hadoop oder Docker waren beispielsweise vor wenigen Jahren noch gar kein Thema. Aber heute werden Experten dafür händeringend gesucht. Und während im Mittelalter noch 90 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeiteten, sind es jetzt gerade einmal zwei Prozent. Aber dennoch herrscht beinahe Vollbeschäftigung in Deutschland, denn die Wirtschaft hat sich immer wieder verändert und die meisten Bauern ergriffen längst andere Berufe. Die Digitalisierung wird jetzt zu weiteren großen Umbrüchen führen, erklärt Kavi Guppta bei Forbes. Der Experte für die Zukunft der Arbeit sieht vier grundlegende Veränderungen, auf die man sich weltweit einrichten muss.

 

1.) Alle werden irgendwie „remote“ arbeiten

Nicht jeder wird seinen Job zu Hause oder in Cafés und anderen öffentlichen Räumen ausüben. Aber die meisten Menschen werden nur noch virtuell arbeiten oder zumindest weit von ihren Kollegen entfernt sein. Der Schlüssel dafür ist, dass alle Mitarbeiter den Zugang zu solchen Arbeitsformen bekommen. Die Drohnen-Technik werde beispielsweise dazu führen, dass selbst Transportarbeiten sich von überall erledigen lassen. Dafür sind gut ausgebildete Bediener nötig, die Container, Ausrüstungen, Materialien oder sogar ganze Militärapparate aus der Ferne bewegen können. Schon jetzt besteht ein großes Interesse an Arbeiten im Dienstleistungssektor, die sich remote erledigen lassen: vor allem in der IT, im Finanzsektor, der Kommunikation und einigen anderen Bereichen.

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Foto: shutterstock / gualtiero boffi

 

2.) Fast jeder wird zum Freelancer

Die nächste Generation wird sich keine Arbeit suchen müssen, meint Guppta, denn die Arbeit wird zu ihnen kommen: Uber führt bereits jetzt private Taxifahrer und Passagiere zusammen, während AirBnB dasselbe für Vermieter und ihre zahlenden Kurzzeitgäste erledigt. Und LinkedIn vermittelt automatisch zwischen Unternehmen und Arbeitssuchenden. Das geht alles längst per Smartphone und funktioniert auch für jeden anderen vorstellbaren Job: Das Einkaufen und Anbieten von Talenten wird zu einer eigenen Branche. Neue Firmen und Plattformen entstehen, die als Matchmaker zwischen Unternehmen und guten Leuten funktionieren.

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Foto: Shutterstock / GaudiLab

Doch die Herausforderung wird dabei sein, dass immer genug Arbeit verfügbar ist, um jeden Leerlauf auf diesem Markt zu vermeiden. Die großen Gewinner werden jene Services sein, die kontinuierlich Arbeitssuchende mit neuen Jobs zusammenbringen und die besten Mitarbeiter für Unternehmen finden können. Besonders wenn sie das nicht nur für die stark nachgefragten IT-Berufe schaffen. Denn eine Frage wird immer drängender: Wie können wir Leute, deren Jobs von Maschinen übernommen wurden, in anderen Bereichen einsetzen, wo ihre Fähigkeiten nützlich sind?

Ob dieses dauernde Jobhopping aber wirklich erstrebenswert ist, das bleibt noch unbeantwortet. Denn vielleicht wird das mobile Leben als Freelancer auch so aussehen wie in diesem Video:

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3.) Immer mehr Outsourcing

In politischen Debatten wird Outsourcing oft negativ gesehen, weil Unternehmen damit Jobs in Billiglohnländer verlegen. Wenn aber jeder sein Talent weltweit anbieten kann, dann lassen sich damit auch bessere Löhne erzielen, hofft Guppta.

Belegschaften würden beginnen, sich selbst outzusourcen und zu entbündeln. Und die Unternehmen könnten dadurch Geld einsparen, um es in anderen Bereichen zu investieren: Eigene Büros werden geschlossen und nur noch bei Bedarf in Coworking-Spaces gemietet. Das eingesparte Geld kann man für bessere Mitarbeiter ausgeben, die natürlich aus der Ferne arbeiten.

Ich bin vielleicht optimistisch“, schreibt der Experte. „Aber Outsourcing wird hoffentlich bald als Möglichkeit gesehen, die Besten zu rekrutieren, weil es Einsparungen in anderen Bereichen erzielt.“ Bei seiner Einschätzung darf man nicht vergessen, dass Guppta seit Jahren als digitaler Nomade lebt. Er ist fast immer auf Reisen und schreibt aus Hotelzimmern oder Internet-Cafés für die verschiedensten Medien. Das dürfte seine Bewertung beeinflussen.

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Foto: shutterstock / Georgejmclittle

 

4.) Privatisierung der Bildung

Wenn die meisten Arbeitsabläufe in Zukunft automatisch ablaufen, dann müssen wir junge Leute und freigesetzte Arbeitskräfte dafür ausbilden, dass sie andere Aufgaben übernehmen. Durch E-Learning stehen heute die besten Ausbildungsprogramme der Welt mit ein paar Mausklicks bereit. Gleichzeitig explodieren in vielen Ländern die Preise der traditionellen Ausbildung in Schulen und Universitäten. Doch allmählich etablieren sich private Lehrangebote, die es gratis oder bezahlt im Internet gibt, als zuverlässige Alternative zu diesen bestehenden Institutionen.

Massive Online Open Courses (MOOC) machen Lehrinhalte überall auf der Erde verfügbar. Sobald ein Gerät einen Internet-Zugang hat, lässt sich damit schon lernen. Das bedeutet aber nicht das Ende für traditionsreiche und teure Universitäten wie Harvard oder Oxford. Solche jahrhundertealten Institutionen können dadurch neue Zielgruppen zu günstigeren Preisen erreichen. Ein Beispiel sind die Online-Vorlesungen des weltbekannten Harvard-Philosophen Michael Sandel, der neulich auch im Telefónica BASECAMP auftrat.

Für die kleinen Schwätzchen an der Uni oder im Büro, die heute das Lernen und Arbeiten so liebenswert machen, wird dann aber auch ein Internet-Zugang benötigt.

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